Ina Hagen, Business Coach aus Köln, im Interview mit Julia Möhn vom EMOTION VERLAG:
Frau Hagen, Sie empfehlen als Jahresrückblick eine Selbstfokussierung – wie geht das?
Meine Empfehlung: Ziehen Sie sich raus aus dem Alltagstrubel, mit Decke, Wärmflasche, Wohlfühlgetränk – alles, was Ihnen gut tut, was eine entspannte Grundhaltung fördert. Lassen Sie dann die folgenden Fragen nacheinander auf sich wirken, nehmen Sie sich pro Frage so viel Zeit wie Sie brauchen.
Frage 1: Wenn Sie so auf Ihr vergangenes Jahr zurückblicken – was lief beruflich gut für Sie, was kann gerne im neuen Jahr genauso bleiben? Weil es Sie zufrieden gemacht hat!
Frage 2: Wovon sollten Sie sich im neuen Jahr vielleicht besser lösen?
Welche Dinge sind eher Ballast, stressen, oder verärgern Sie? Wovon ist also „weniger mehr“?
Frage 3: Was hat Potenzial für „mehr“ in Ihrem neuen Jahr? Was ist Ihnen z.B. ganz gut gelungen im ersten Ansatz, aber ist vielleicht nicht der Regelfall? Kurz: Von was täte Ihnen mehr gut?
Wichtig ist, dass wir uns selbst bei der Beantwortung der Fragen keinen Druck machen. Uns die Ruhe und die Zeit geben, die wir dafür brauchen. Und wenn es nur eine Frage pro Abend ist! Übrigens: Die Augen dabei zu schließen, tut nicht nur gut nach einem langen Tag, es hilft auch, einen besseren Kontakt zu sich zu bekommen. Schwierig gestaltet sich Selbstfokussierung zwischen Meeting vorbereiten, auf die Kinder aufpassen, „mitten im Geschehen“ sein. Zu viel Multitasking, zu viel Fokus auf anderes.
Wenn die Jahresbilanz sehr negativ ausfällt – wie kann man dennoch Frieden mit dem Arbeitsjahr schließen?
Die Frage ist: Ist die Bilanz – ein erstes klares Bild, von dem, was ich nicht mehr will – wirklich so negativ? Oder ist die Reflektion und der sichtbar gewordene Veränderungswunsch der erste Schritt aus meiner Komfortzone? Ich empfinde Selbstreflektion immer als sehr wertvoll, weil ich damit Klarheit erlange. Auch wenn sie vielleicht aufzeigt, dass ich Dinge ändern sollte. Das heißt nicht, dass das vergangene Jahr schlecht war. Es heißt, dass ich das neue Jahr anders leben möchte. Zu jedem Wachstum, jeder Entwicklungsstufe gehört es tatsächlich auch, durch eine Phase der Unsicherheit, vielleicht sogar der Angst vor der Veränderung zu gehen. Wenn wir zurückblicken, so kennen wir das bestimmt aus anderen Situationen. Um von diesem „negativen“ Blick – Problem – wegzukommen, ist es hilfreich, sich ein Ziel zu notieren. Wie wollen Sie 2023 sein? Ein Ziel hilft, sich auf die Veränderung zu fokussieren, nicht an einer „negativen“ Bilanz zu verharren. Beschäftigen Sie sich lieber damit, welche Alltagsveränderungen es bräuchte, um im Januar Ihrem Ziel vielleicht schon ein kleines Stückchen näher zu sein.
Unser Gehirn speichert ja am liebsten die negative Abweichung – wie erinnert man sich an Arbeit, die Freude gemacht hat?
Ist das so? Ich kenne es von mir selbst anders, dass ich mich rückblickend meist nur an die positiven Dinge erinnere. Herausforderungen wie schwierige Konflikte fühlen sich rückblickend immer viel weniger schlimm an. Wahrscheinlich weil die schönen Dinge mehr im Fokus sind, und das damals Schwierige sich auch weiterentwickelt hat. Wie erinnere ich mich an Arbeit, die Freude gemacht hat? Indem ich am besten viel mehr davon praktiziere. Das schaffe ich im ersten Schritt durch Bewusstsein schärfen: Wann hat mir zuletzt meine Arbeit so richtig Freude gemacht? Was hat mir daran so richtig Spaß gemacht? Was waren vielleicht Rahmenbedingungen, die meine Zufriedenheit damals gefördert haben? Sie merken, wir sind gerade wieder mitten in der Reflektion. Dabei können tolle Erkenntnisse zum Vorschein kommen wie z.B. immer wenn ich Projekte im kleinen Team umsetze, bin ich viel kreativer, motivierter und bekomme die Sicherheit, die ich brauche. Wenn mir bewusst ist, was ich brauche, um „zu leuchten“, dann kann ich das ja auch in meinem Unternehmen kommunizieren z.B. im Rahmen eines Mitarbeitergespräches. Wenn ich weiß, was ich brauche, um richtig Freude bei der Arbeit zu haben, dann finde ich es auch. Weil ich weiß, nach welchem Job ich suche.
Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit Freude?
Das, was ich jeden Tage tue, ist für mich wirklich richtige Arbejdsglæde! Ich begleite Fach- und Führungskräfte, auch ganze Teams, in ihren beruflichen Herausforderungen. Meine Arbeit ist geprägt von einem unheimlich starken Vertrauen, Ehrlichkeit, Offenheit. Wertschätzung. Ich habe früher lange Jahre in der Marketing Strategie gearbeitet. Zahlen und Forecasts konnten mir das nicht geben. Das war dann der „okay“ Zustand für mich. Meine persönliche große Freude ist die Arbeit mit Menschen. Sie zu begleiten, damit sie wieder mehr bei sich sind, beruflich in ihre Kraft kommen, das erfüllt mich sehr! Es ist immer so wertvoll, wenn der Klient raus aus seinem Fokus „Problem“ sein Anliegen auf einmal aus einer anderen Perspektive sehen kann. Diese Veränderung – das zeigt sich für mich meist zuerst in Blick und langsamerer Sprache – ist Klarheit pur. Meine Anerkennung an jeden, der Zeit und Mut für sich investiert, um hier zu wachsen.
Vielen Dank Frau Möhn für das geführte Interview!